Auf ins Reich der Mitte
An der chinesischen Grenze wurde unser Gepäck zum ersten Mal ganz genau durchgecheckt. Besonderes Interesse galt den Landkarten. Drei Grenzbeamte haben eine Weile über der Thailand Karte gebrütet und gerätselt, welcher Teil von China das ist... Holy moly. Es war schon spät und wir konnten die (sehr grindige) Grenzstadt nimma verlassen. Die Beamten haben uns unsere Pässe abgenommen. Man darf die Grenze nämlich nicht auf eigene Faust verlassen. Für (fahrradfahrende) Touristen seien die kommenden 140 km am Highway einfach zu gefährlich... Ein Zimmer haben wir recht schnell gefunden. Einziges Problem: man konnte die Türe, welche direkt auf die Hauptstraße führte, von innen nicht versperren. Haben ein Bett davorgeschoben, um wenigstens zu hören, wenn jemand reinkommt.
Am nächsten Tag um 10:30 haben wir uns wieder zur Grenze begeben (hier sperrt alles erst so spät auf. Ganz China hat Beijing Zeit - somit mussten wir die Uhr gleich 2 Stunden nach vorne stellen). Früher durfte man mit einem der LKWs zum nächsten Checkpoint in Wuqia fahren. Zum Wohl der Touristen sind jetzt aber nur noch Taxis erlaubt. Da gehts ja schon mal los, dass man nicht selbst entscheiden kann, was das Beste für einen ist. Taxis gibt es ca. 4. Und es scheint als wären die Fahrer Brüder. Konkurrenz herrscht da keine, noch dazu wissen die, dass wir auf sie angewiesen sind um von hier wegzukommen. Unsre Verhandlungsposition ist dementsprechend mieserabel. Der vorgeschlagene Preis von 100 $ nach Kashgar war unverschämt hoch. Wir verhandelten ca. 1 1/2 Stunden. Die Grenzbeamten waren auch keine große Hilfe und fanden den Preis fair... Ich bin schon längst kein "ruhiger Stein" mehr gewesen. Mani war auch so narrisch, er hat es sogar geschafft die zart besaitete chinesische Grenzbeamtin fast zum Weinen zu bringen :D. Bloß weil er gesagt hat, dass wir hier komplett abgezogen werden und wir das im Internet herumerzählen werden... Letztendlich haben wir 80 $ bezahlt, die Räder wurden auf ein Auto gespannt und wir haben unsre Pässe zurück bekommen.
Der Highway war dann ca. genauso gefährlich wie Spazieren in Gmunden an der Esplanade. Perfekte Straßenverhältnisse und dazu kein Verkehr. Bei der Diskussion mit dem Taxler einen Herzinfarkt zu bekommen ist wahrscheinlich als hier einen Unfall zu haben. Whatever... In Wuqia wurde unser ganzes Gepäck ein weiteres Mal durchgescannt (???). Allerdings erst um 5 am Abend. Siesta dauert hier länger als in Spanien...
Als wir eeendlich in Kashgar angekommen sind, waren wir schnell wieder besänftigt. Die Stadt hat uns auf Anhieb gefallen. Sehr lebhaft und überall auf der Straße gibts Essen, juhuuu. Obststände voll mit Trauben und Melonen, frisches Brot (und frisch geschlachtete Schafe) an allen Ecken, Trockenfrüchte in Hülle und Fülle, ... Überall brausen die Leute mit ihren Elektrorollern herum. Da muss man gut aufpassen, weil man die überhaupt nicht hört.
Von den Konflikten zwischen den Uiguren und den Han Chinesen merkt man hier auf Anhieb nichts. Keine hohe Polizeipräsenz und keine übertriebenen Sicherheitsvorkehrungen. Allerdings sieht man am Straßenrand Schilder auf denen abgebildet ist, wie man sich kleiden soll. Kopftücher und Bart, wie es bei den muslimischen Uiguren typisch ist wird mit einem Kreuz als falsch gekennzeichnet. Willkommen im 21. Jahrhundert...
Mani hat den ersten Tag im Zimmer verbracht. Das scharfe Essen vom Vortag war wohl nix für ihn. Ich bin bissi durch die Stadt spaziert und hab es geschafft es zu bestellen, mit der altbewährten Methode "try to look lost". Von iiiirgendwo kommt immer englischsprachige Hilfe daher. Mit einem lieben französischen Radlerpärchen war ich Nachts am Foodmarket. Neben grausligen gekochten Schafsköpfen, Lungen und anderen ekeligen Innerein gabs auch richtig gute Suppen und sticky rice mit Sirup.
Unsere Räder haben wir mit dem Zug nach Kunming (im Süden Chinas) vorausgeschickt. Diesmal haben es die chinesischen Bahnangestellten fast geschafft mich zum Weinen zu bringen. Zum Ausfüllen des Formulars haben 3 Beamte ca. eine Stunde gebraucht. Dann haben sie noch dazu eine falsche Ziel Adresse angegeben... Wir wollten das Hostel anrufen, damit die für uns dolmetschen. Wir haben die Telefonnummer hingelegt, aufs Telefon gezeigt, mit der Hand telefonieren dargestellt und "call" gesagt. Wirklich, die haben uns angeschaut wie die ersten Menschen. Zu guter Letzt haben die den Sticker mit dem QR Code zum Zurückverfolgen so auf meinen Radrahmen geklebt, dass man den Code natürlich nimma erkennen kann. Tja, mal schauen, ob wir in Südostasien noch zum Radeln kommen...
Die Leute auf der Post hingegen waren tiptop geschult. Wir sind mit 15 kg Gepäck (Zelt, Kochzeug, zu warmes Gewand) dahergekommen und die haben auf Anhieb verstanden, dass wir was verschicken wollen ;-)
Sonntags gibt es in Kashgar einen sehr berühmten Tier-Markt. Dazu kommen die Bauern sogar aus den benachbarten Stans um ihre Viecher an den Mann zu bringen. Es war wirklich ein tolles Erlebnis. Von Schafen über Kühe, Esel, Kamele und Yaks wir hier alles angeboten. Nach dem Markt waren wir so eingestaubt wie nach einem Tag radfahren in Kasachstan :)
Unsre neu gekauften, chinesischen Qualitätsrucksäcke sind gepackt. Mit dem Nachtbus fahren wir heute weiter Richtung Osten, erst nach Korla und von dort dann weiter nach Turpan. Auch wenn wir radfrei unterwegs sind, werden wir von Zeit zu Zeit ein GPS Signal senden.
Liebe Grüße senden euch Mani und Linda