unser erster Pass

01.09.2014 14:38

Im Hotel in Talas haben wir noch ueberfluessigen Ballast abgeworfen (Handtuecher, Manis Jeans und eins meiner T-Shirts musste dran glauben). Der gewonnene Platz wurde mit Proviant aufgefuellt. Wir bleiben den Instantsuppen treu. Zusaetzlich gibt es hier in Kirgistan super lecker Trockenobst. Wir waren also geruestet fuer die Fahrt ins Gemuese.

(Tag 1) Das Radfahren nach einer Woche Pause hat sich ganz ungewohnt angefuehlt. Aber irgendwie gut. Phuuu, Glueck gehabt. Die Hauptstrasse haben wir schnell verlassen. Vor uns hat sich das Gebirge aufgetan, welches es zu ueberwinden galt. Aus Asphalt wurde Schotter, es ging leicht bergauf und wir sind gut vorangekommen.
Die Leute am Strassenrand haben zwar grosse Augen gemacht, wenn wir ihnen erzaehlt haben, dass wir ueber den Terek Pass wollen, allerdings hat keiner versucht uns davon abzuhalten. Mit einem guten Gefuehl sind wir durch die traumhafte Landschaft geradelt. Neben uns hat sich ein Fluss geschlaengelt. Zum Essen haben wir das Wasser einfach abgekocht. Um es trinkbar zu machen haben wir bakterientoetende Micropur Tabletten dabei. 
Zum Nachmittag hin wurden Teile der Strecke immer steiler. Beim Rasten haben wir ein perfektes Zeltplatzerl entdeckt. Direkt neben dem Bach, von ein paaar Baeumen geschuetzt. Wir hatten zwar erst 32 km, aber hier zu bleiben war einfach zu verlockend. Ausserdem schien uns 1700 m eine gute Hoehe zum akklimatisieren zu sein.  Haben uns im eisigen Wasser gebadet (und wir dachten immer der Traunsee sei kalt) und ein Lagerfeuer gemacht. In der Nacht kam zum ersten Mal die lange Unterwaesche zum Einsatz :) 

(Tag 2) Vor lauter Freude ueber den Zeltplatz haben wir ganz vergessen, warum wir hier gestern halt gemacht haben. Naemlich um uns von der Steigung zu erholen. Die war heute morgen leider immer noch da. Zum Aufwaermen gleich massiv bergauf. Najaaaaaaaa, wir sind schon besser in den Tag gestartet. Ich musste gleich mal schieben und hab die Strecke (zum ersten Mal) verflucht. Gscheid rauf und runter, so ging es dann dahin. Selbst die wunderschoene Umgebung und der absolut nicht vorhandene Verkehr konnten mich nicht davon ablenken, dass mir das eigentlich viel zu anstrengend ist ... (Mani hingegen schwebte (noch) auf Wolke 7). 
Zu Mittag haette ich keinen Meter mehr fahren koennen. Haben uns in einiger Entfernung von ein paar Jurten in die Wiese gesetzt. Wir sind nicht lange alleine geblieben. 2 Maenner, 2 Maedels, 3 Hunde und ein Pferd haben sich zu uns gesellt. Mani durfte reiten und wir haben eine Einladung zum Kumis trinken bekommen. Kumis ist vergorene Stutenmilch und ein traditionalles Getraenk hier. Zum Einen wollten wir das Gebraeu wirklich nicht kosten, zum Anderen waren es "nur noch" 16 km bis. zum Pass. Unser Ziel war es da heute noch rauf zu kommen. 
Weiter ging es ueber Wiesen und Felder, stetig bergauf. Die Strasse wurde allerdings von km zu km schlechter und steiler. Ueberall sind Steine und Felsbrocken herumgelegen, so dass wir nur noch Slalomfahren konnten. Bald ging auch das nicht mehr. Selbst das Schieben war mir zu anstrengend, weil ich staendig im Geroell stecken geblieben bin (ich hab zwar richtig starke Oberarme ;-) aber ein 40 kg Rad ueber eine Steinpiste mit 12% Steigung raufzuschieben war dann einfach zu viel). Mani musste fuer uns beide herhalten. Bald waren wir so erschoepft und angepisst, dass wir einfach nicht mehr wollten. Zum Pass fehlten uns noch 4 km, leider aber auch die noetige Kraft, um diese zu bewaeltigen. Ganze 24 km hatten wir heute zurueckgelegt.
Das Schicksal hat es aber wieder einmal gut mit uns gemeint. Neben uns war ein komplett flaches, windgeschuetztes Fleckerl Wiese. Ein Blick hat genuegt und schon stand unser Zelt. Auf 3000 m Hoehe!! Der Platz war genial. Wir haben in der Abendsonne gekocht und ein paar Schafe am Nachhauseweg beobachtet. Als die Sonne hinter den Bergen verschwand war es schlagartig kalt. Also richtig kalt. Sind schnell ins Zelt gekrabbelt und haben alles angezogen, was die Satteltaschen hergaben. Lange Unterwaesche, Skisocken, Omas Wollsocken, Lange Hosen, 2x Fliess, Buff, Haube und Schlafsackinlet. 
Als wir in der Nacht aufs Klo mussten wollten wir erst gar nicht raus. Das waere aber schade gewesen. Der Sternenhimmel war unbeschreiblich. Sowas hab ich noch nie gesehen. So nah ... Genial!!

(Tag 3)  Voller Motivation, weil nur noch 4 km bis zum Ziel, sind wir in den Tag gestartet. Relativ schnell waren wir wieder am Boden der Tatsachen zurueck. Die "Strasse" war die gleiche wie gestern. An fahren nicht zu denken. Die naechsten 4 Stunden lassen sich so beschreiben: Gemeinsam (einer lenkt, einer schiebt) eines der Raeder fluchend 200 Meter nach oben befoerdern. Kurz rasten. Zurueckgehen (dabei die geile Aussicht geniessen und feststellen, dass es doch irgendwie kuul ist hier heroben) und das zweite Rad holen. Somit wurden aus den 4 km doch irgendwie 8...
Nach einer letzten Staerkung zu Mittag haben wir es dann aber geschafft. Wir haben den hoechsten Punkt erreicht. Wir waren auf 3370 Metern und haben den elendigen Terek Pass bezwungen :) :)
Auf google earth haben wir im Vorfeld schon gesehen, dass die ersten km bergab auch etwas unwegsam erscheinen. So war es dann auch. Wir haben aber festgestellt, dass bergab schieben mehr Spass macht als bergauf. Ueber Stock und Stein haben wir unsere Raeder gerollt. Ein jeder Mountainbiker haette auf dieser Strecke feuchte Augen bekommen vor Freude. Unsere Reiseraeder sind fuer so eine Rumpelpartie nur leider nicht gemacht. Fuer Autos war der Weg unbefahrbar - sehr kuul, wenn ueberhaupt kein Verkehr ist und wir unsere Ruhe haben. 
Langsam sind wir vorangekommen, bis wir irgendwann mitten im Wald gestanden sind. Weit und breit kein Weg zu sehen, umzingelt von Pferden und Baechen. Um weiterzukommen mussten wir das Wasser queren. Also Schuhe und Socken aus, durch den Bach, anziehen und ein paar Meter weiter - bevor wir wieder auf die andere Seite des Baches mussten. Nachdem wir das ganze 4 x gemacht haben und uns ein fuenftes mal bevor stand, hatten wir genug und haben unser Zelt (inmitten einer Kuhherde) aufgestellt. 
Haben nun den dritten Tag in Folge unseren "am wenigsten km pro Tag"-Rekord gebrochen. Heute waren es nur 20 km...

(Tag 4) Durch den Gebirgsbach kneippend haben wir den Tag begonnen. Inzwischen war der Weg so gut, dass wir schon wieder fahren konnten. Mussten nur noch riesigen Steinen (von denen einer meine vordere Satteltasche aufgeschlitzt hat) ausweichen. Schoen langsam kamen wir wieder in Richtung Zivilisation. Erste Austos haben uns ueberholt, wir sind durch kleine Ortscahften gefahren und am Strassenrand gabs Melonen zu kaufen. Ganz ungewohnt nach 3 Tagen in denen man fast ganz alleine war. Bis Toktogul hatten wir noch eiiiiinige Steigungen zu bewaeltigen. Allerdings auf Asphalt, die schaut die Welt ganz anders aus. Trotz allem waren wir sehr froh, als wir in der Stadt am Toktogul-Stausee angekommen sind...

Die letzten Tage haben uns alles abverlangt. Zum Glueck weiss man vorher nie so genau, was auf einen zukommt. Vielleicht heatten wir sonst die einfachere Route auf der Hauptstrasse gewaehlt? Dann haetten wir aber etwas verpasst. Anstrengung hin oder her - es war wunderschoen. Und ja, wir wuerden es wieder tun :)